Verkehrsmittel und Unfallstatistiken

Wie im vorherigen Blog, schützen sich die Ecuadorianer auch im «öffentlichen Verkehr» nicht…Auch hier treffen zwei ganz verschiedene Welten aufeinander. In der Schweiz werden übervorsichtige Massnahmen getroffen damit ja niemand zu schaden kommt und hier? Hier gilt das pure Gottvertrauen. Daher sind viele Lastwagen und Busse mit religiösen Sprüchen und Talismännen ausgestattet. Auch bei diesem Thema bleibt mir manchmal einfach der Mund offen. Als wir in Ecuador angekommen sind, haben wir uns natürlich über Kindersitze erkundigen wollen. Keine Chance, niemand von unseren Freunden oder Verwandten hat einen Kindersitz fürs Auto oder wusste ob sowas überhaupt aufzutreiben war. Erst letzte Woche haben wir in Ambato in einer grossen Mall Kindersitze entdeckt – für 200-800$. Also, es gibt sie doch, nur kann/ will sich dies niemand leisten. Solange es nicht obligatorisch ist, wird sich auch niemand darum bemühen. Babyschalen haben wir immerhin zwei bis drei schonmal gesehen.

Zurück zum Beginn unserer Auszeit in Ecuador. Wir stiegen also in Quito in den Touristenbus unserer Freunde ein, ohne Kindersitz. Und was ist mit angurten? Nur wenn die Polizei in Sicht ist, dann muss sich der Fahrer und der Beifahrer aber «tifig» die Gurten anschnallen. Sonst könnte es ja doch zu einer Busse kommen. Die hinteren Mitfahrer müssen nicht angeschnallt sein. Wir, auf Sicherheit geprägte, übervorsichtigen Schweizer, (jaaa, Leo ist nun auch offiziell Schweizer*) hatten schon ein sehr mulmiges Gefühl, Inti nur auf unserem Schoss zu halten während der Chauffeur über die 2-4 spurigen, gut gebauten Strassen raste. Irgendwie fühlte ich mich so, wie wenn wir eine grosse «Sünde» begehen und jederzeit könnten wir von der Polizei erwischt werden…Aber die Polizei hier kümmern herumturnende Kinder in Autos wenig. Wie ihr alle wisst, kamen wir heil nach Rio Negro an und bis zum heutigen Tag haben wir Gott sei Dank alle Bus-, Taxi-, Auto- und Motorradfahrten überlebt. Ja, ihr habt richtig gehört, mit dem Motorrad wird hier auch Kind und Kegel transportiert – natürlich, wie könnte es anders sein,  auch ohne Gummi eh…ohne Helm. Fahren mit Licht? Neeein, das ist nur Energieverschwendung und blendet die anderen. Aber in der Nacht, da wird dann mit Aufblendlicht durch die kurvigen Strassen gefahren oder eben das Licht wird als unnütz erachtet. Und was ist mit Alkohol am Steuer? Letzthin wollten wir mit dem Taxi vom Restaurant El Profe** zu uns nach Hause fahren. Der Taxichauffeur hatte so eine Fahne und als wir ihn darauf ansprachen, ob er betrunken sei, hat er uns nur zurück gelallt, dass schon alles i. O ist. Ruckzuck waren wir wieder aus dem Taxi ausgestiegen. Dann brauste er davon. Also, so betrunken wie dieser Taxichauffer sind die Leute in der Regel nicht, aber sie fahren oder fuhren ALLE sicherlich schon zu angeheitert durch die Gegend…Einmal war ich mit Inti am Glace essen vor dem «Tante Emma» Laden in Rio Negro als ein Auto anhielt und der Fahrer mit zwei leeren 1l Bierflaschen ausstieg um sich nochmals zwei 1l Bier zu kaufen. Beim Abfahren wünschte die Verkäuferin den beiden Männern dann noch eine gute Fahrt. Unvorstellbar in der Schweiz oder? Die Alkohollimite hier in Ecuador beträgt 0.3-0.8 Promille. Wenn jemand erwischt wird, kostet es ca. 400$ oder Gefängnis. Es werden einem 5 Punkte abgezogen.  Die Polizei macht auch regelmässig Kontrollen. Aber in den kleinen Dörfern schaut niemand genau hin. Auch als mich letzthin die Cousine gefragt hat, ob ich sie kurz mit ihrem Auto ins Dorf chauffieren könne und ich ihr entgegnete, dass ich gerade kein Fahrausweis bei mir trage, meinte sie zu mir, dass mich hier im Dorf niemand kontrollieren werde. Auch bei dieser Fahrt ins Dorf habe ich mich wieder wie eine grosse Sünderin gefühlt…Die Dorfkinder, welche die Möglichkeit bekommen, fahren auch schon mit 12 Jahren durch die Gegend. Hier sagt niemand was. Wenn aber in ein grösseres Dorf oder eine Stadt gefahren wird, gelten die Ausweisregeln und offiziell kann ab 18 Jahren mit Autofahren begonnen werden. Innerhalb von einem Monat muss man für die Autoprüfung ca. 15 Theoriestunden und ca. 15 Praxisstunden absolviert haben, damit man an die Prüfung zugelassen wird. Die Prüfung wird aber nur an einem Simulator und nicht auf der Strasse durchgeführt. Wenn der Fahrschüler schon Kenntnisse vom Autofahren hat, dann sitzt der Fahrlehrer einfach neben dran und tippt auf seinem Handy herum oder macht ein Nickerchen bis die Fahrlektion durch ist…genau, was ist mit Handy am Steuer? Jeder hier ist beim Fahren am Herumtippen, Sprachnachrichten versenden oder am Facebook durchscrollen. Da bekomme ich manchmal wirklich die Krise und bitte den Taxichauffeur auf die Strasse zu achten. In Baños werden viele Velos vermietet und die beliebteste Velostrecke ist der Hauptstrasse entlang zu den fünf Wasserfällen. Vorletzte Woche ist ein Velo-Tourist tödlich verunglückt weil er die schöne Strecke mit dem Handy in der Hand gefilmt hat. Er ist mit vollem Tempo in den Eingang der Tunnelwand geprallt. Da hat sein Helm leider auch nichts mehr geholfen. Der Argentinische Tourist hatte das Velo ausgerechnet bei unseren Freunden in ihrem Reisebüro ausgeliehen. Zu ihrem Glück konnte mit dem Video bewiesen werden, dass es kein mechanischer Fehler am Velo war. Die Ecuadorianer sind wie viele auch Sensationsgeil. Kurz nach dem Unfall waren Fotos des am Boden liegenden, toten Velofahrers in den sozialen Medien zu sehen…kein Wunder sinkt so auch die Touristenrate…

Zurück zur Fahrprüfung. Wenn der Fahrschüler schon Kenntnisse hat, dann kann er auch etwas mehr Geld bezahlen und somit die 15 Praxislektionen überspringen. Kein wunder also, dass jeder so fährt wie es ihm gefällt. Sicherheitsabstand? Hier werden 1-3m empfohlen. Keine Chance hätte man bei einer Vollbremsung. Ich könnte noch mehr solche unglaublichen Geschichten erzählen aber gehen wir einmal zu den Statistiken. Laut Wikipedia gibt es in Ecuador auf 100’000 Menschen ca. 150.3 Verkehrstote, in der Schweiz sind es auf 100’000 Personen gerade mal 3.6 Menschen. Die höchste Rate mit über 800 Verkehrstoten sind in Togo und Guyana anzutreffen. Die niedrigste Rate beträgt 3.4 Menschen in Norwegen.

* Ja, Leo ist jetzt offiziell Schweizer. Das lustige ist, dass er ja an meinem Geburtstag das 1x Schweizer Boden betreten hat und genau am 22.11.2019, also am 2. Geburtstag von Inti wurde er Eingebürgert. Für mich gibt es keine Zufälle. Leo wurde mit dem Betreten der Schweiz und mit dem Schweizer Pass ein neues, anderes Leben geschenkt.

**El profe, so heisst das Restaurant von Lastenia und Enrique. Das meiste ist nun geflickt und renoviert und morgen findet passend zum Valentinstag das Eröffnungsfest statt. H

Ja, und in den Fotos zeige ich lieber keine Fotos von Verkehrstoten sondern einige Impressionen der näheren Umgebung bei uns.

Liebe Grüsse und hebed Sorg