Pura vida

Das Leben spüren, ja das tun wir hier. Ecuador ist so pulsierend, so lebendig und es gibt so viele Telenovela-Ähnliche Lebensgeschichten, dass einem manchmal der Mund offen bleibt…  Letzthin habe ich einer Freundin gesagt, dass ein Tag Ecuador so viel zu bieten hat, sich so viel ereignet, wie in der Schweiz in etwa 4 Jahren.

Wir sind 2 Monate hier und ich spüre, dass wir angekommen sind. Wenn ich durchs Dorf laufe, grüssen mich alle und rufen zu Inti «Hallo kleiner Leo».

Was ich am meisten schätze ist, dass es hier so viel Platz für Spontanität hat und wenn man jemanden auf der Strasse trifft den man kennt, dann gibt es immer Zeit um Neuigkeiten auszutauschen und über das Leben zu sinnieren. Niemand schaut hier auf die Uhr und sagt dir, «es tut mir leid ich habe keine Zeit». Wie sagt man so schön, die Schweizer haben die Uhr, die Anderen haben die Zeit. Zeit sich mit anderen Menschen auszutauschen, Zeit sich mit anderen Menschen zu verbinden, Zeit spontan ein Nachtessen zusammen zu organisieren. Von den geplanten 6 Personen sind es dann plötzlich 10 oder mehr, die gemeinsam am Tisch sitzen. Es hat für alle Platz und für alle genug. Letzthin sind wir um ca 21.30 Uhr nach Hause gekommen, da kommt der Nachbar mit seinem Sohn herübergerannt. Der Sohn habe die Englisch-Hausaufgaben für morgen noch nicht gemacht, ob ich ihm helfen könne. Nagut, anstatt ins Bett zu gehen, entwickelt sich der Abend in ein kunterbuntes Treiben, denn auch die Mutter kommt noch vorbei und neben den Englischaufgaben wird lautstark über Erziehungsfragen, die Schule und die verkäuferischen Machenschaften des Sohnes auf dem Schulhof diskutiert. Unkompliziert, chaotisch, unperfekt und lustig. So sieht ein Tag in Ecuador aus.

Hier ist wirklich nichts perfekt. Hier ist alles schief und schepps gebaut, gebastelt und bepinselt. Am Anfang hat mich das recht irritiert, doch ich habe mich daran gewöhnt und sehe alles etwas gelassener.

Ja, Gelassenheit wird hier viel benötigt. Vor allem wenn hier ein Haus gebaut wird. Ihr möchtet sicher wissen wie es um unseren Hausbau steht? Wie ihr euch wohl denken könnt, gab es vieles unvorgesehenes, vieles das schepps oder schief gelaufen ist und von den Kosten sprechen wir lieber garnicht… Ich habe mich immer gefragt, warum es so viele halbfertige Häuser in Ecuador gibt, jetzt steht auf unserem Land selbet so eins… Wir können euch aber mit Freude sagen, dass wir wahrscheinlich ab Neujahr im EG einziehen können. Durch vieles unvorhergesehenes haben wir unser Budget für das Haus schon gesprengt und somit können wir leider das OG nicht fertigstellen. Zum Glück gibt es die Gelassenheit und hier ist es wie gesagt ganz normal, dass halt plötzlich das Geld ausgeht und somit der Hausbau gestoppt wird, bis wieder etwas angespart ist.

Wir haben ausser dem Hausbau noch ein neues Projekt gestartet. Lastenia und Enrique (ein Freund von uns) haben ein Restaurant mit Swimmingpool und Spa gemietet. Die Miete beträgt pro Monat nur 200$ aber natürlich hat es einen Hacken. Die ganze Infrastruktur ist in einem desaströsen Zustand. Daher helfen wir jetzt mit, alles auf Vordermann zu bringen. Inti hilft jeden Tag aktiv mit. Uns wird also nicht langweilig hier.

An Weihnachten haben wir mit den Arbeitern, den Helfern und der Familie ein Nachtessen gekocht. Ganz einfach aber mit vielen lieben Menschen. Auch an Weihnachten arbeiten hier die meisten Leute. Daher kam bei uns keine Weihnachtsstimmung auf und ausser Süssigkeitem gab es auch keine Geschenke. Ich hoffe sehr, ihr habt eure Weihnachten genossen und wir wünschen euch einen gelungenen, schönen Start ins 2020 !

P.s auf dem untersten Bild seht ihr übrigens unseren Weihnachtsbaum 🙂

Die dunklere Seite der Schweiz

Eine kleine Ergänzung zum letzten Blog-Artikel.

Ich bin dank einer Leserin darauf aufmerksam gemacht worden, dass unsere Putz- und Sauberkeitswut in der Schweiz auch negative Folgen für die Natur haben kann, vor allem in der Landwirtschaft. Wir haben weltweit eine der schlechtesten Biodiversitäten. Der ökologische Fussabdruck der Schweiz ist riesig. Er wird mit 4.8 Erden angegeben. Ecuador liegt mit ca. 1.5 Erden deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Niemand von Leos Verwandten (ausser Lastenia, die zu uns in die Schweiz kam) ist jemals geflogen. Ferien kennen die wenigsten hier. Freizeitaktivitäten jedes Wochenend kann sich hier niemand leisten. Bis jetzt weiss ich, dass nur der Wein und Äpfel aus Chile und Argentinien importiert werden. Sonst ist vieles regional oder national produziert.

Gleiches für Plastikmüll. Die Schweiz liegt laut Oceancare  https://www.oceancare.org/de/plastik-und-die-schweiz/

 auf Platz 3 was Plastikmüll angeht. Der Artikel ist wirklich lesenswert.  

Uns geht es viel zu gut, wir konsumieren viel zu viel und nicht nachhaltig. 4.8 Erden!!! Laut der Leserin können die Südamerikaner noch lange Plastik verbrennen im Garten…

Wir seien einfach Weltmeister im Fassade wahren, es sehe alles schön und bünzlig sauber aus, aber dies auf Kosten der Umwelt – und auch immer auf Kosten der ärmeren Ländern. Da hat sie wohl oder übel recht. Sie hat auch noch einen interessanten Filmtipp: Bruno Manser

Danke Amik für die kritischen Ergänzungen und danke euch allen für die Guten und lieben Gedanken und Wünsche nach Ecuador.

Also, auch bei uns gilt es vor unserer eigenen Haustüre zu wischen und es ist nicht immer Gold was glänzt.

Ich verspreche euch, die nächsten Blog-Artikel werden wieder etwas positiver und erstaunlicher 😉