Zurück zum neuen, alten Leben

Die Türe zur Alvawelt Ecuador schliesst sich. Genau 10 Monate hat das Leben spannende Geschichten, Erlebnisse und schöne Begegnungen für uns bereit gehalten. Wir schliessen diese Türe mit Tränen in den Augen aber mit erfülltem Herzen und einer vollen Seele… Ein letztes Mal tief ein- und ausatmen. Ein letztes Mal den lebendigen Geräuschen der Pachamama lauschen. 7h Nachtgeräusche haben wir noch aufgenommen, damit wir, zumindest akustisch, ein Stück ecuadorianische Heimat auch in der Schweiz erleben können. Der Abschied unserer Familie und von unseren Freunden fällt schwer. Ich mag keine Abschiede, daher war es nur ein «hasta pronto» – bis bald.

Am Flughafen Mariscal Sucre in Quito zeichnete sich ein tristes Bild. Natürlich alle Menschen mit Schutzmasken. Einige mit ganzkörper Schutzanzügen. Aber das Erstaunliche, die grossen Hallen sind menschenleer. Genau zwei Fastfoodketten haben geöffnet, der Rest der Läden und Restaurants ist geschlossen. Tröpfchenweise kommen langsam die Menschen hinein. Der einzige Flug an diesem Tag geht nach Madrid. Um 24 Uhr geht ein weiterer Flieger Richtung USA. Das sehe ich auf der gähnend leeren Anzeigetafel. Überall sind Punkte und Markierungen am Boden, welche helfen sollen, die 2 m Abstandsregel einzuhalten. Einsteigen, auch hier tröpfchenweise, damit sich keine langen, dichten Warteschlangen bilden. Von den früher hecktischen bienenhausartigen Flughäfen ist momentan nichts mehr übrig. Alles verläuft ruhig und hinter der Schutzmaske hat niemand gross Lust zu reden.

Der top moderne Iberia Flieger ist halb leer. Wir bekommen die besten Sitzplätze gleich hinter der Businessclass. Amaru verbringt den ganzen Flug schlafend in seiner, von der Fluggesellschaft bereitgestellten Babyschale. Auch Inti schläft nach einem kurzen Kinderfilm gleich ein. Nur die Eltern können nicht schlafen. Was wird uns wohl in der Schweiz erwarten? Aufgeregt, freudig und auch etwas traurig denken wir an unser, altes neues Leben.

Dann ist der Moment da, die hügelige, grüne Landschaft mit den vielen kleinen Dörfern ist sichtbar, die Schweiz rückt mit jedem fallenden Höhenmeter näher. Die Landung ist geglückt, alles verläuft reibungslos und auch alle Gepäcksstücke kommen wieder zum rechtmässigen Besitzer.

Auch hier, leere Hallen, geschlossene Läden, Masken wo das Auge hinreicht…

Was machen wir als erstes? Wir erblicken den Coop Pronto. Der Hunger muss gestillt werden. Endlich… Schweizersalat für mich, Inti wählt ein Schoggibrötli aus und Leo kauft sich eine Käseschnitte. Mit so viel Freude esse ich meinen Salat und die köstlichen Cherrytomaten und Leo meint, dass er den würzigen CH-Käse sehr vermisst hat. Inti isst sein Schoggibrötli mit einem riesen Grinsen und sagt ständig, dass Grosspapi schnell kommen soll. Wo ist Grosspapi Markus? Leider muss er sich noch 10 Tage gedulden, dann kann er seinen geliebten Grosspapi wieder sehen.

Aber dann kommt unsere Freundin mit einem von ihren Kindern gefertigten Willkommens- Plakat auf uns zugerannt. Wieder Tränen – dieses Mal vor Freude. Wahnsinn und überwältigend wie viel Liebe und Bewunderung ich für diese grossherzige  Person spüre. Sie holt uns mit ihrem grossen Elektroauto ab. Aber bevor wir lautlos davon gleiten, möchte Inti noch Wasser trinken. Wir überlegen kurz, wo wir Wasser kaufen können. Dann meint unsere Chauffeuse: «Nein, nein, ich habe eine Glasflasche hier, ich fülle diese sogleich mit Hahnenwasser» und schon ist sie verschwunden um Hahnenburger zu holen. Leo und ich bleiben mit offenem Mund im Auto sitzen…Wow, wir haben vergessen, dass wir ja wieder in der CH sind und das süsslich feine Leitungswasser überall direkt trinken können. Ein weiterer Kulturschock für mich ist, die Taxis und Taxichauffeure aus dem Fenster des wartenden Autos zu beobachten. Die neusten weissen BMWs stehen in Reih und Glied. Die Taxichauffeure in weissen Hemden, schwarzen Hosen und Lackschuhen gekleidet. Auf der Autobahn teure, neue Autos und Motorräder wo das Auge hinreicht. Auf unserer Elektroauto Fahrt Richtung Zentralschweiz fühlen wir uns wieder in die Zukunft katapultiert. 10 Monate lang waren wir uns stinkende, laute oder alte Diesler gewohnt. Auch der Sonnenuntergang um 20 Uhr lässt uns wieder staunen. Fast ein Jahr ging die Sonne für uns um 6 Uhr auf und um 18 Uhr wieder unter.

Bald ist es geschafft, eine über 30 Stündige Reise geht in Eschenbach LU zu Ende. Mättu übergibt uns den Schlüssel und wir treten in unser temporäres zu Hause ein. Wow, was für ein schönes Haus der Eltern von Nora und erst die Aussicht. Wir haben wunderbar geschlafen und als ich aus dem Fenster blicke, sehe ich statt Bananenbäume eine Hainbuche und zum obligaten Porridge zum Frühstück gibt es einen frisch gepflückten Apfel aus dem Garten. Die Sonne strahlt uns ins Gesicht. Es riecht nach Schweiz und frisch gemähtem Gras. Der Bauernhof mit den Kühen auf der Weide liegt gleich vor unserer Haustüre. Und dann donnert die Patrouille Suisse über unsere Köpfe. Der Flugplatz Emmen ist ganz in der Nähe. Das war mir schon in Ecuador aufgefallen. Mit gut Glück sahen wir vielleicht 1x im Monat einen Helikopter aber hier in der Schweiz ist der Flugverkehr über dem Himmel bemerkenswert.

Der erste Tag in der Schweiz war wunderschön. Inti konnte mit ganz vielen neuen Spielsachen spielen und sogar im Sandkasten mit einem Bagger Burgen bauen. Auch sein lieber Grosspapi kam kurz zum Zaun, um unsere Einkäufe zu überbringen. Inti wollte unbedingt mit Grosspapi und dem Auto wegfahren. Da muss er sich noch gedulden. Es ist echt schwierig, seinen eigenen Vater nach 10 Monaten wieder zu sehen und ihn nicht richtig begrüssen zu dürfen. Aber eine Busse von 10’000 CHF wollen wir einfach nicht riskieren. In Ecuador droht sogar 1-3 Jahre Gefängnis, wenn die Massnahmen nicht eingehalten werden…

Wir lassen uns aber deswegen nicht die Freude nehmen und wir machen das Beste draus. Es lässt sich super leben in unserem Quarantäneparadies. Wir spüren eine tiefe Dankbarkeit. Wir sind überwältigt über das Vertrauen und der Grossherzigkeit welche uns Nora und Mättu, sowie ihre Eltern entgegen bringen. Auch haben wir uns riesig über alle Willkommensgrüsse per Whatsapp gefreut. Wir fühlen uns sehr getragen und willkommen. Einen schöneren Start ins alte, neue Leben könnten wir uns nicht besser vorstellen. DANKE!

Und auch hier ein «hasta pront» – bis bald!

Die Türe zu Alvawelt schliesst sich
Schweizer Boden in Sicht
Willkommenschild der Familie Rimer
Unser erstes Nachtessen in der schönen Schweiz
Keine Bananenbäume mehr
Unsere Aussicht für 10 Tage
Neue Fülle an Spielsachen für Inti
Abschiedsritual mit Gaben an die Natur
Der Weg zum Vrindavan
So halbfertig verlassen wir unser zu Hause
Unsere Abschiedsaussicht
Ciao Chiquita
Ciao Rio Negro