Golden Gate

Betonwüsten und vereinzelte grüne Flächen. So sehen die Aussenbezirke von Quito aus. In einer Nebenstrasse gelangen wir zu einem Tor, welches die Überschrift «Golden Gate» trägt. Hinter dem Tor steht Katia (meine Hebamme) und begrüsst uns mit einer grossen Umarmung. Sie wohnt in einer kleinen Siedlung mit 30 gleich aussehenden Häusern, ähnlich wie die berümten Häuschen in San Francisco. Der grosse Unterschied ist, dass hier alles mit Stacheldraht und einem Wächter geschützt werden muss. Hier dürfen wir die folgenden Tage übernachten und werden von ihr und ihrem Bruder Diego auch kulinarisch verwöhnt. Da uns langsam die Decke auf den Kopf fällt vor lauter Corona und Lockdown, sind wir über neue und altbekannte Gesichter und einen kompletten Tapetenwechsel sehr froh. Quito liegt auf fast 3000 m ü.M. und die erste Nacht frieren wir wie die Schlosshunde. Hier gibt es keine Heizung oder Doppelverglasung. Mit ganz vielen Kleidern und 3-fach Decke können wir dann doch schlafen. Auch die Höhe machte uns schon etwas zu schaffen.

Quito ist momentan bekannt für die meisten Covid Fälle des Landes. Spitäler sind überlastet und wie an der Küste sterben die Leute auf offener Strasse. Ausgangssperren und Restriktionen sind auch hier seit 4 Monaten Alltag. Maskenpflicht gilt seit 3 Monaten und das nicht nur im ÖV sondern immer und überall…auch Inti wird mehrmals gemahnt, die Maske doch richtig anzuziehen. Bei jedem Eingang bei grösseren Geschäftern oder eben bei Behörden wie beim Zivilstandesamt wird die Temperatur gemessen und der ganze Körper und sowie die mitgeführten Gepäckstücke besprüht. Die Hände müssen überall desinfiziert werden und fühlen sich schon am 1. Tag in der Stadt wie Schmirgelpapier an.

Wir kamen hier her um das Foto und den Fingerabdruck für Leos CH-Pass zu machen. Wir hofften, dass gleichzeitig der Brief des Notars auch eintreffen würde und wir so im Zivilstandesamt den Familiennamen richtig eintragen können und somit Amaru im Geburtsregister steht. Wie es der Zufall wollte, war der Brief aus der Schweiz tatsächlich an diesem Tag eingetroffen. Jedoch hatten wir Glück, dass sich nicht alles nochmals um eine Woche verzögerte, denn die beiden zuständigen Damen in der Botschaft arbeiten wegen Covid-19 nun alternierend. Den im Internet vereinbarten Passtermin (der mir als Antwortmail bestätigt wurde) war nicht auffindbar. Leo war also in der Botschaft ohne Termin. Kulanterweise durfre er doch das Foto und den Fingerabdruck machen. Als er wegen des Briefes des Notars nachfragte, meinte die Dame, sie hätte einen Brief erhalten aber wisse nicht, was sie damit tun solle. Wenn Leo nicht vorbei gegangen wäre, dann würden wir vielleicht noch heute auf den Brief warten. Leos CH-Pass sollte in ca. 4 Wochen in der Botschaft eintreffen. Die Pässe werden in der Schweiz erstellt und dann an die Botschaft zurück geschickt. Nach Baños werden keine Unterlagen mehr geschickt. Die Post ist geschlossen und mit privaten Lieferdiensten werden auch keine wichtigen Dokumente mehr versendet.

Am nächsten Tag gings mit Kind und Kegel ins Zivilstandesamt in Quito. Die beiden Zeugen, welche notwendig sind um zu beweisen, dass Amaru unser Sohn ist, hatten wir auch im Gepäck. Katia und Diego stellten sich als Zeugen zur Verfügung und warteten mit uns geduldig 1.5h bis der Papierkrieg erledigt war. Per Zufall traf Katia auf ebenso frisch gebackene bekannte Eltern. Am 8. Mai, also genau einen Monat vor Amarus Geburt half sie dem Mädchen Namens Gaia das Licht der Welt in einem Vulkankrater zu erblicken. Ja, Katia hat schon an vielen speziellen Orten bei der Geburt assistiert. Vulkan, Dschungel, Höhlen, Temazcal etc. Auf was für spezielle Ideen ihre meist ausländischen Klientinnen immer kommen .

Die Zivilstandesbeamtin fragte minuziös alle Details nach. Es gab in der Vergangenheit viele Kindesenführungen und somit falsche Registrierungen. Es ist schön, nehmen sie dieses Thema nun so ernst. Als beweis muss auch zwingend ein Ultraschallbild einer Schwangerschaftskontrolle vorgelegt werden. Aber nun kommt das Beste. Die Zivilstandesbeamtin erklärte uns, dass das Apostillierte Dokument des Notars nicht nötig sei, weil wir ja schon ein Kind haben, dass Alvarado Guevara heisst. Das sei schon Beweis genug, dass in der Schweiz diese Regel gilt. Die kleineren Provinzen wie Baños und Puyo wissen das nicht. In Quito ist dies tägliches Brot… schade. Aber lieber zu viel als zu wenig tun um wieder nach Hause zu kommen oder? Leider geht der Geburtsregisterauszug jetzt noch an andere Behörden wie das Staatsnotariat. Sie haben uns gesagt, dass wir das Dokument innert 10 Arbeitstagen abholen können, dann Apostillieren müssen und weiter zur Schweizerbotschaft abgeben sollen. Diese werden es dann an das Zivilstandesamt in Luzern zusenden. Dort muss es als «dringend» deklariert werden. Wir müssen nämlich einen Notpass für Amaru erstellen. Ein herkömmlicher Pass würde ca. 4 Monate in Anspruch nehmen. So lange können und wollen wir nicht mehr warten. Wie lange es in Luzern mit der Registrierung geht, konnte die Frau in der Botschaft nicht sagen. Aber einen Monat müssen wir sowieso noch auf den Pass von Leo warten. Ohne diesen kommen wir auch nicht nach Europa. Schengenvisas werden auf ungewisse Zeit nicht mehr ausgestellt.

Nach all dem Bürokratiekram gönnten wir uns seit 4 Monaten das 1x wieder einen Kaffee in einer Cafeteria. Katia und ich fingen an zu weinen. All diese Covid-Massnahmen zu sehen, all diese Leute mit den Masken und deren angsterfüllten Augen zu beobachten, das Misstrauen, die Ungewissheit und die Traurigkeit in den Menschen zu spüren und unsere Schmirgelpapierhände anzufassen war einfach zu viel. Für mich ist es einfach auch traurig die Kinder zu sehen . Die Spielplätze und Sportanlagen sind seit 4 Monaten geschlossen. Die Parks sind in in Quito ab 1 Uhr geschlossen. Die Kinder in Quito und auch unser Göttibueb in Baños sitzen tag täglich zu Hause vor dem TV oder Handy. Früher war er nur mit dem Velo unterwegs oder am Basketball spielen.

Aber nicht nur den Kindern schadet diese Situation. Wir konnten so viele Menschen in Quito mit «Vollmontur» sehen wie im Foto gezeigt oder Menschen die ständig mit ihrem Desinfektionsspray vor der Nase bei jedem Schritt die Luft versprühen…

Leider gibt es in Baños jetzt über 2000 Covid-19 Fälle, in Puyo gibt es sehr viele Todesfälle. Der Höhepunkt der Pandemie wird hier erst noch kommen…

Wir sind sehr froh wieder in unserem Rio Negro zu sein. Die Natur hier ist so heilsam – Pachamama eben. Sie nimmt uns sanft in ihre offenen Arme und dann ist alles wieder ruhig und gut. Wir sind so dankbar für unser Haus und unser Land hier. Auch wenn die Ungewissheit da ist, nicht zu wissen, wann wir zurück in der Schweiz sind, versuchen wir jeden Moment mit unseren Kindern zu geniessen. Jeden Tag mit ihnen ist ein Geschenk.

Wir freuen uns riesig, wenn Inti dann wieder ohne Maske herumlaufen darf und mit seinen Freunden auf die überaus tollen Spielplätz in Luzern gehen kann.

Geniesst eure Freiheit und den Sommer.

Zuversichtliche Grüsse aus der Ferne

Familie Alvarado

Im Zivilstandesamt. Beamte mit Komplettschutz

So sehen die Taxis aus. Der Fahrer schützt sich mit Plastik

Tiefster Regenbogen ever auf dem Weg nach Hause

Rückreise und Problem mit Familienname

Viele von euch fragen, ob wir nun schon ein Rückflug in die Schweiz haben, und wann wir zurück sind.

Leider muss ich euch da enttäuschen. Wir haben noch keinen Rückflug, da wir für Amaru noch keinen Pass haben. Erst wenn wir eine ecuadorianische ID besitzen, können wir einen CH-Pass für ihn beantrage. Wir benötigen zwingend seinen Schweizerpass. Mit nur einem ecuadorianischen Reisepass müssten wir ein Schengenvisum für ihn beantragen, damit er einreisen darf. Momentan stellt aber Europa nur für gewisse Länder wie z.B Neuseeland (welches Covid frei ist) ein Schengenvisum aus. In Ausnahmefällen würde er aber sicherlich mit uns einreisen dürfen.

Familiennamen:

Und jetzt kommt das komplizierteste. Amaru würde hier einen anderen Familiennamen erhalten als wir. Wieso? In den spanisch sprechenden Ländern haben alle zwei Familiennamen. Wir heissen nicht nur Alvarado sondern Alvarado Guevara. Hier in Ecuador behalten die Frauen nach der Heirat ihren Namen. Der neue Name nach der Geburt eines Kindes setzt sich am Beispiel von Leos Eltern zusammen. Leos Vater heisst mit Familienname «Alvarado Cuesta». Seine Mutter heisst zum Familienname «Guevara Peña». Nun wird der erste Name des Vaters genommen, also Alvarado und der erste Name der Mutter, sprich Guevara angehängt. Die Kinder der beiden heissen somit Alvarado Guevara. So wissen die Leute auch, dass Leo der Sohn von Alirio Alvarado und Lastenia Guevara ist. Macht irgendwie Sinn oder?

Nun, weil ich vor mehr als 7 Jahren den Familiennamen von Leo übernommen habe und das Zivilstandesamt in Luzern damals mitgeteilt hat, dass Alvarado Guevara ein kompletter Name sei, heisse ich ja jetzt auch Isabelle Alvarado Guevara. Was macht das ecuadorianische System mit Amaru? Jetzt kommt das Problem, er würde hier Amaru Andrés «Alvarado Alvarado» heissen. Das wollten wir aus zwei Gründen nicht. Erstens können die Leute hier sehr gemein sein und ihn als «Bastard» bezeichnen. Die Leute könnten meinen, dass er von Geschwistern oder engen Familienmitglideren gezeugt wurde. Der zweite Grund ist, dass wir möchten, dass alle in unserer Familie gleich heissen. Hier auf dem Zivilstandesamt und auf der Schweizer-Bodschsft in Quito meinten sie, dass sie noch nie so einen Fall hatten und dass wir ein Gesetzesauszug, welcher bestätigt, dass in der Schweiz der Name des Vaters oder der Mutter für das Kind übernommen werden kann, vorweisen müssen. Dieser Gesetzesauszug muss in der Schweiz von einem Notar beglaubigt und vom Kanton Luzern apostilliert werden. Natürlich muss noch ein anerkannter Übersetzer das ganze auf Spanisch übersetzen…

Es wurde uns mitgeteilt, dass die Ausstellung des Reisepasses für Amaru etwa 2-3 Monate in Anspruch nimmt…

Ihr seht, uns wird nicht langweilig. Auf unserem Land in Rio Negro ist vieles paradiesisch aber wenn wir hier mit den Behörden zu tun haben, dann ist alles etwas weniger romantisch…

Auch müssen wir noch unser Heiratsdokument ändern. Vor 7 Jahren haben sie mich als Russin hier eingetragen (weiss Gott wieso?) und zusätzlich bin ich momentan ohne Aufenthaltsbewilligung in Ecuador. Ich hatte nur ein Visum für 6 Monate. Wegen Covid sind die entsprechenden Behörde  nicht erreichbar.

Wir werden in den nächten 1-2 Wochen nach Quito reisen. Dort dürfen wir bei Katia wohnen und können so in Ruhe den ganzen bürokratischen Kram erledigen. Die Massnahmen gegen Covid wurden jedoch wieder verschärft. Es gibt sehr viele Fälle in den grossen Städten. Wir hoffen, dass wir trotzdem mit allen Behörden unsere Anliegen erledigen können.

Drückt uns die Daumen, dass wir so schnell wie möglich alles erledigen können, um euch bald wieder zu sehen.

Wir hoffen seeeehr, dass wir anfang September wieder in der Schweiz sind. Seit Amaru auf der Welt ist, habe ich doch etwas Heimweh. Ich möchte gerne mein kleines, grosses Glück mit euch teilen.

Aber wir sind unendlich dankbar für die extra Familienzeit und wir geniessen die wunderschöne, aber auch fordernde Stunden zu viert. Wir pendeln uns immer mehr ein.

Danke euch allen für die wunderschönen Nachrichten und Glückwünsche. Danke liebe Sina fürs Versenden der Geburtskarten und liebe Kathrin, liebe Ruth und lieber Alexander, herzlichen Dank für die tollen Geburtstafeln. Danke liebe Jessica für die Hammerüberraschung meinen Bauch kurz vor der Geburt noch anzumalen.

Danke auch ganz fest an meine Eltern, welche uns nun mit Notar usw. in der Schweiz helfen.

Alles liebe Familie Alvarado Guevara