Wir bleiben hier…

Unser Rückflug, der für den 21.4 geplant war, wurde gestrichen. Auch hier herrscht seit 3 Wochen der Ausnahmezustand. Ausgangssperre von 14-5 Uhr, die Schliessung aller Läden ausser der Lebensmittelläden, keine öffentlichen Verkehrsmittel und der fast völlige Stillstand in den Städten ist wie gesagt, seit 3 Wochen unsere Normalität. Wir sind seit der Krise jeden Tag in Kontakt mit der Schweizerischen Botschaft in Quito. Da es praktisch keine Flüge von und nach Europa gibt, informieren sie uns laufend über Rückflugmöglichkeiten. Eine neue Regelung ist, dass man nicht mehr 2h vor Abflug am Flughafen sein muss, sondern 5h!!! vorher. Weiter gibt es in jedem kleinen Dorf und an den Provinzgrenzen Kontrollen der Polizei oder des Militärs. Wenn kein «Salvoconducto» also Durchfahrtsschein vorhanden ist, dann kommt man nicht vom Fleck. Dieses Papier bekommt man bei Notfällen, bei dringenden Arbeiten oder wenn ein Flugbillett vorhanden ist, wird es von der Botschaft ausgestellt. Ein verfrühter Rückflug wäre unter diesen besonderen Umständen für uns purer Stress gewesen. Auch konnten nur noch Flüge nach Madrid, Paris oder Amsterdam gebucht werden. Von dort aus hätte dann weiter geschaut werden müssen, wie man in die Schweiz kommt. Auch gilt eine 10 Tägige Quarantäne, wenn aus Ecuador in die Schweiz eingereist wird. Wir ersparen uns diesen Stress und bleiben wo wir sind, nämlich in unserem Haus umgeben von unserem grünen Paradies. Wir bleiben bis zur Geburt unseres zweiten Kindes hier. Danach versuchen wir so schnell wie möglich für das Baby einen Reisepass zu erhalten. Wir hoffen somit ende August wieder in der Schweiz zu sein.

Zurück zu den Wurzeln, das ist momentan die Devise in Rio Negro. Das Brot wird bei uns wieder selber gebacken und das Land vor dem Haus mit Kürbis, Gurken, Yuca, Kartoffeln, Kakaopflanzen, Bohnen etc. angepflanzt. Die Vorräte mit Linsen, Mehl, Bohnen, Reis, Kartoffeln, Mais etc. sind aufgefüllt. Bananen, Zitrusfrüchte, Guave, Kaffeepflanzen, Zuckerrohr und Papaya wachsen wie Unkraut um unser Haus herum. Wasser ist in Rio Negro auch keine Mangelware. Die Quellen sind noch nie versiegt. Wir wären also für das Schlimmste gerüstet. Aber momentan bekommen wir im Dorf noch alles Grundlegende. Nur das heiss geliebte Jogurt von Inti und das Brot vom Bäcker gibts momentan nicht mehr. Es ist schon sehr speziell. Durch die Ausgangssperre und den Hausarrest, kann nur eine Person pro Familie einkaufen gehen. Für mich als Schweizerin, die sich noch nie im Verzicht üben musste, (das tönt schon so wahnsinnig oder?) ist diese Erfahrung momentan schon sehr horizonterweiternd. Mit erstaunen schaue ich die Nachrichten in der Schweiz. Hamsterkäufe inkl. WC Papier, leere Regale usw., obwohl die Grundversorgung laut Bundesrat weiterhin gewährleistet ist, und es, ausser Hefe und anderen Dingen, noch fast alles zu kaufen gibt. Wir jüngeren Schweizer mussten noch nie mit Verzicht umgehen. Wir leben, oder lebten in purer Fülle. Das ist schon ein unglaublich, riesiges Glück.

Wie ist es hier in Ecuador? Erst noch im Oktober musste das ganze Land durch den Generalstreik wegen der Strassenblockaden hungern. Es gab keine Gasflaschen mehr zu kaufen, also machten die Menschen auf den Strassen oder vor dem Haus Feuer um zu kochen, die Lebensmittelpreise explodierten, weil es nichts mehr zu kaufen gab. Die meisten haben sich mit Reis, Tomanten und Eiern über die Runden gebracht. Was will ich damit sagen? Viele Ecuadorianer leben von der Hand in den Mund. Sie haben keine fetten Bankkonten oder Geldanlagen. Wie schon gesagt, sie haben eher Schulden. Sie sind es geübt im Mangel zu leben oder Krisen zu bewältigen. Daher spüre ich hier die Menschen ruhig und hilfsbereit. Gerade heute kam der Gemeindepräsident mit einem Sack voll Lebensmittel zur alleinerziehenden Tante mit vier Kindern. Sie hat kein Geld für Gas, Windeln oder eben Lebensmittel. Der Gemeindepräsident verschenkt seinen ganzen Monatslohn um den ärmeren Leuten in Rio Negro zu helfen. Was für eine schöne Geste.

In den Städten, vor allem an der Küste herrscht aber auch Panik. Es wird berichtet, dass die vielen Toten von den Familien einfach auf die Strasse gebracht und dort zum Teil angezündet werden. Die Angst angesteckt zu werden ist zu gross. Die Spitäler in Guayaquil, der Notdienst und Bestatter sind völlig überfordert. Somit bringt sie niemand ins Krematorium…Ob die Menschen am Virus sterben oder eine andere Todesursache vorliegt wissen wir nicht. Guaya, die Küstenregion ist zum Glück isoliert. Niemand darf die Provinz verlassen.

Viele Fake News sind im Umlauf, die offiziellen Medien berichten nicht wahrheitsgetreu. Wie schon beim Landesstreik, gelten die sozialen Medien als vertrauenswürdiger. Es ist sehr schwer sich hier ein klares Bild zu machen. Was wir aber wissen ist, dass sich der Präsident auf den Galapagosinseln aufhält und kaum bis nichts über die Krise berichtet. Erst am letzten Donnerstag hat er sich das erste Mal richtig im TV zu Wort gemeldet.

Hier in Rio Negro ist die Welt noch heil. Wir geniessen unsere täglichen Spaziergänge um unsere Hektare Land. Unsere Nachbarn sind die Mutter und der Bruder von Leo sowie auf der anderen Seite der Vater mit seiner neuen Frau und die Tante mit den vier Mädchen. Wir verbringen nun viel Zeit miteinander, da ja niemand von ihnen arbeiten kann/darf. Um zu uns nach Rio Negro zu gelangen führt nur der Weg von Baños nach Puyo oder umgekehrt. Baños ist auch isoliert und hat noch keine Fälle verzeichnet. In Puyo, der grösseren Stadt Richtung Amazonas (40min. von uns) sind bis jetzt 9 Fälle registriert. Auf der ganzen Strecke zwischen den zwei Städten sind keine Fälle bekannt. Wir sind also sehr zuversichtlich, dass in Rio Negro weiterhin Ruhe herrscht. Wir sind im Vertrauen, auf das Schlimmste gefasst und hoffen das Beste.

Ich vermisse euch und freue mich, euch im Spätsommer wieder zu sehen.

Hebed Sorg und bleibt gesund.

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